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Quellenblatt: Essen 1943 - "Battle of the Ruhr" – Formen der Erinnerungskultur

M1. Pressemeldung, ohne Datum.

„Am Montag (16.4.) wurde oberhalb des Schuirweg feierlich ein Gedenkstein enthüllt, der an die Opfer eines Luftangriffes im April 1945 erinnert. […] Am 9. April 1945 kamen durch einen irrtümlichen Fliegerangriff alliierter Bomber am Schuirweg über 40 Zwangsarbeiter ums Leben. Sie wurden zunächst von Schwestern des Mutterhauses der Elisabetherinnen geborgen, die auch die Verwundeten versorgten. Die Toten fanden auf dem Südwestfriedhof ihre letzte Ruhestätte. […]
Der Gedenkstein geht zurück auf die Recherche von Bogdan Soporowski, dessen Vater als Zwangsarbeiter bei dem Luftangriff getötet wurde. Zusammen mit dem Haarzopfer Hobbyhistoriker Herbert Fries machte Bogdan Soporowski das Grab seines Vaters ausfindig. Er ist bislang der einzige identifizierte Tote des Angriffs. Am Grab auf dem Südwestfriedhof fand im vergangenen Jahr eine Kranzniederlegung im Auftrag des Oberbürgermeisters statt. Dabei entstand als Folge der Vorschlag, einen Gedenkstein am Schuirweg aufzustellen. […]“

Quelle: http://www.essen.de/module/meldungen/m_detail.asp?MNR=9694

Haarzopf: Ein Stadtteil Essens.

M2. Rede des Oberbürgermeisters Essens Dr. Wolfgang Reiniger zur Enthüllung des Gedenksteins am Schuirweg in Essen, ohne Datum.

„Meine Damen und Herren,

es ist kein alltäglicher Termin, der uns zusammenführt. Der Anlass führt uns zurück in das dunkelste Kapitel unserer Stadtgeschichte.

Essen ist eine Stadt mit einer langen Geschichte. Einer Geschichte mit Höhen und Tiefen. Mit einer großartigen Geschichte, auf die wir stolz sein können. Ich denke an die Geschichte des Wiederaufbaus nach dem Krieg, aber auch an den Strukturwandel von einer durch Kohle und Stahl geprägten Stadt zu einer modernen Dienstleistungsmetropole, einer Stadt mit einem Weltkulturerbe – der ehemaligen Zeche Zollverein – , einer Stadt, die 2010 – gemeinsam mit dem ganzen Ruhrgebiet – Kulturhauptstadt Europas sein wird. Ich denke aber auch an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte, das wir nicht ausblenden dürfen und nicht ausblenden wollen, die Jahre von Willkürherrschaft und Krieg. Es ist eine gute und wichtige Tradition in unserer Stadt, dass wir auch diese Erinnerung wach halten. Erinnerungskultur ist für uns eine Selbstverständlichkeit.

Hierzu gehören ebenso die alljährliche Einladung ehemaliger jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger, wie die Einladung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Hierzu gehören die Gedenktafeln im Stadtgebiet mit dem Hinweis auf den Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern. Wichtig sind uns besonders die Gespräche solcher Zeitzeugen in unseren Schulen mit der jungen Generation. In der Stadt wahrzunehmen ist auch die Aktion „Stolpersteine“ mit ihrer Erinnerung an das Schicksal von Juden in der Stadt Essen. In diesen Kontext gehört nicht zuletzt auch die Ausstellung „Essen im Nationalsozialismus“, die wir vor allem einem Zeitzeugen verdanken, Ernst Schmidt.

Heute kommt ein Ort der Erinnerung hinzu. Ein Ort der Erinnerung an eine Tragödie, ein besonders bitteres Ereignis. […]

Bogdan Soporowski hat in Essen nach dem Grab seines Vaters Kasimir Soporowski gesucht. Von seinem Großvater und seinem Onkel, die den schrecklichen Luftangriff miterlebt und überlebt hatten, wusste er, dass sein Vater hier umgekommen war. Er wollte wissen, wo sein Vater seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Es ist ein Wunsch, wie ihn in gleicher Weise viele Söhne und Töchter aus der Kriegskindergeneration teilen. Sehr oft kann der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge weiter helfen. Hier hatte Bogdan Soporowski das Glück, den Kontakt zu einem engagierten Essener Mitbürger zu finden, der die Suche nach dem Grab seines Vaters zu seiner Sache machte: Herbert Fries aus Haarzopf. Lieber Herr Fries, es ist gleichermaßen spannend wie bewegend, Ihren Bericht hierüber zu lesen. In der Presse ist Ihre Arbeit sehr einfühlsam mit der Überschrift „Suche nach Wahrheit“ überschrieben worden. Die Suche ist Ihnen ganz offenkundig Herzensangelegenheit geworden.

Mit Ihrer Arbeit haben Sie Bogdan Soporowski geholfen. Er hat das Grab seines Vaters gefunden und konnte am Grab seines Vaters beten. Sie haben aber auch uns geholfen. Auch der 9. April 1945 gehört zu unserer Stadtgeschichte. Die Tragödie dieses Tages verdient, Teil unserer Erinnerung an die Jahre des Unrechts und des Schreckens zu bleiben. Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihr Engagement. Ich danke aber auch allen, die Ihnen bei der Recherche geholfen haben und in Ihrem Bericht genannt sind […] Meine Damen und Herren, ich hatte einleitend von der Bedeutung der Erinnerungskultur gesprochen. Der heutige Tag unterstreicht, dass wir in Essen Erinnerungskultur ernst nehmen. Ernst nehmen im Sinne des „Nie wieder!“. Und so ist es der überzeugendste Ausdruck von Versöhnung, wenn man sich über den Gräbern die Hand reicht. Lieber Herr Soporowski, auch so verstehe ich Ihre Anwesenheit schon im letzten Jahr und wiederum auch heute. Ich danke Ihnen für diese Geste. Ihnen, meine Damen und Herren, danke ich noch einmal, dass Sie alle gekommen sind.“

Quelle: http://www.essen.de/Deutsch/Rathaus/Oberbuergermeister/Gedenkstein_Schuirweg.pdf

M3. Bilder der Essener Gedenktafeln, Oktober 2008.

M3a. Hinweistafel an das Essener Arbeitsamt in der NS-Zeit. Foto: Hanna Grzempa
M3b. Erinnerungstafel gegenüber dem Essener Hauptbahnhof. Foto: Hanna Grzempa
M3c. Gedenkstein an der Gerlingstraße in Essen. Foto: Hanna Grzempa