Einheit erstellt von Hanna Grzempa   Bibliografie   Didaktischer Kommentar

Infotext   Quellenblatt   Aufgabenblatt

Quellenblatt: Essen 1943 - "Battle of the Ruhr" - Leben während der KLV

M1. Zeitzeugenbericht, 7. August 1997.

 „[…] Die Fahrt mit dem Zug verlief gut, abgesehen von der sehr langen Zeit, doch letztendlich sehr abenteuerlich für uns Kinder. Wir schliefen teilweise in den Gepäcknetzen und bekamen von der Umgebung nicht viel mit […] Meine Gasteltern waren der Metzgermeister Max Hagin und seine Frau. Zur Familie Hagin gehörten außerdem eine 14jährige Tochter und ein zehn Jahre alter Sohn. Hierdurch wurde mir die Eingewöhnungszeit wesentlich erleichtert.

Ich wurde sehr gut aufgenommen, und es war wie ein zweites Zuhause für mich. Der für mich unvorstellbare Überfluß an Obst, Leckereien und Lebensmitteln war für mich erdrückend. Die Familie Hagin war „Selbstversorger“ und hatte neben ihrem Metzgereibetrieb eigene Obstplantagen, Weinberge und einen eigenen Viehbestand sowie eigene Gemüsefelder.

Daß bei einer solchen Vielfalt von Eindrücken, die auf mich wirkten, kein Heimweh entstand, liegt wohl auf der Hand. Es gab hier jeden Tag etwas Neues zu entdecken […]

Zum Abschluß möchte ich noch betonen, daß ich diese Zeit als eine der besten in meinem damaligen jungen Leben betrachtete.“

Bericht von Hans-Joachim von der Heidt, Witten, vom 7. August 1997.

Abgedruckt in: Sollbach, Gerhard E.: Flucht vor Bomben. Kinderlandverschickung aus dem östlichen Ruhrgebiet im 2. Weltkrieg, Hagen 2002, S.130-131.

M2. Zeitzeugenbericht, ohne Datum.

„[…] Lange dauerte es, bis alle Kinder bei den einheimischen Familien ein Bett gefunden hatten, die wenigsten bekamen ein eigenes Zimmer. Die Eltern konnten dann mehr oder weniger beruhigt nach Castrop-Rauxel zurückfahren. Einige Mütter blieben allerdings in Schneidemühl bei ihren Kindern.

Da die Zimmer fast ausschließlich von der ärmeren Bevölkerungsschicht bereitgestellt wurden, kam es immer wieder zu Schwierigkeiten, da auch die Verpflegung von den einzelnen Familien aufgebracht werden musste. So wurde es oft notwendig, ein Kind umzuquartieren. Die Lehrer hatten ständig damit zu tun, die Schüler immer wieder vernünftig unterzubringen.

Schließlich war auch wieder an Unterricht zu denken, die Kisten waren ausgepackt, und das Schneidemühler Gymnasium stellte für unsere Schule Räume zur Verfügung. Da das Gymnasium überbelegt war, mußten wir als Gastschule am Nachmittag zum Unterricht. Viele Kinder hatten weite Schulwege zurückzulegen, oftmals war es schon dunkel, wenn sie am späten Abend aus der Schule kamen. Viele Tränen mussten die Lehrer trocknen, Heimweh und die zum Teil unwirtlichen Verhältnisse in den Quartieren machten den Kindern schwer zu schaffen […]“

Bericht von Katharina Thoma, geb. Müller

Abgedruckt in: Sollbach, Gerhard E.: Flucht vor Bomben. Kinderlandverschickung aus dem östlichen Ruhrgebiet im 2. Weltkrieg, Hagen 2002, S. 155.

M3. Schreiben des Schulinspektors für die Essener Ober- und Mittelschulen an den Beauftragten des Reichsstatthalters für die Essener KLV-Oberschulen in Tirol -Voralberg, 25. Mai 1944.

„Dr. Trieloff: Schulinspektor für die Essener Ober- und Mittelschulen

Der Beauftragte des Reichsstatthalters für die Essener KLV-Oberschulen in Tirol – Vorarlberg […]

Haltung

Die Haltung der Jungen läßt viel zu wünschen übrig. Der Lagermannschaftsführer muß auf diesen Punkt besonders hingewiesen werden. Anzug und Stiefel müssen einen tadellos sauberen Eindruck machen. Haarschnitt und Haarpflege sind täglich zu überprüfen; besonders bei den jüngeren Schülern ist die Sauberkeit der Hände nachzuprüfen. Beim Mittagessen sind folgende Grundregeln zu beachten: Gerade sitzen, Ellbogen anwinkeln, Mund geschlossen und beim Kauen, Messerklinge nach unten.

Anständiges Grüßen (drei Schritte vorher) zeigt das Respektverhältnis zwischen Schüler und Lehrer an. Die Jungen halten die Hände in den Hosentaschen, sogar beim Grüßen, schlendern müßig herum und zeigen eine verletzende Gleichgültigkeit Fremden gegenüber. Die Jungen müßen sich immer bewußt sein, dass sie als Fremde besonders beobachtet und kritisiert werden; bei Begegnungen mit HJ-Führern wirkt nachlässiges Benehmen besonders peinlich. Geschlossenes Auftreten, Marschieren im Lagerverband sind Mittel, die Haltung auch des einzelnen zu fördern. […]"

Stadtarchiv Essen, Bestand 45 – 4035.

M4. Flaggenappell in dem KLV-Jungenlager der Mittelschule Essen-Altstadt, die in dem Hotel "Alpenhof" in Seefeld (Tirol); 1943 – 1944.

Quelle: KLV-Privatarchiv Gerhard E. Sollbach, Herdecke, 1943/44.

M5. KLV-Tagesdienstplan des KLV-Lagers "Haus Pilsen" in Bad Luhatschowitz (Böhmen). Hier wurden die Jungen der Mittelschule in Duisburg-Hamborn vom Juni 1943 bis Herbst 1944 untergebracht.

*Jgschf. = Hitlerjugend: Jungscharführer; Quelle: KLV-Privatarchiv Gerhard E. Sollbach, Herdecke, 1943/44.

M6. Zeitzeugenbericht

„[…] Wir waren während dieser Zeit in verschiedenen Häusern untergebracht. In Bad Leutschau wohnten wir in einer riesigen Pension. In drei Etagen waren 160 Jungen untergebracht. Vier, fünf oder sechs Jungen schliefen auf einem Zimmer, gerade so, wie die Größe es zuließ […]

Eine Briefzensur gehörte zur Normalität eines solchen Lagers. Jeden Brief, den wir schrieben, mussten wir bei den Lehrern vorlegen. Es ist vorgekommen, dass entweder Stellen im Brief überpinselt, also unleserlich gemacht wurden, oder aber der ganze Brief musste neu geschrieben werden. Briefe, die von zu Hause zu uns kamen, waren schon durch die Zensurstelle des Oberkommandos der Wehrmacht zensiert worden. Durch einen entsprechenden Stempel auf der Rückseite und die Neuversiegelung des Briefes konnten wir das jedes Mal feststellen. Sicherlich ging es auch bei unseren Briefen schon darum, Wehrkraftzersetzung frühzeitig zu erkennen.

Politisch wurden wir in dieser Zeit getrimmt: den deutschen Sieg. Durch die Siegesmeldungen im Rundfunk und in den Zeitungen waren wir natürlich stolz auf unsere Soldaten und auch auf Adolf Hitler, unseren Führer. Wir hörten doch nichts Gegenteiliges […]“

Bericht von Hermann Tyralla, Hattingen, 1991.

Abgedruckt in: Sollbach, Gerhard E.: Flucht vor Bomben. Kinderlandverschickung aus dem östlichen Ruhrgebiet im 2. Weltkrieg. Hagen 2002. S. 154.