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Infotext: Essen 1943 - "Battle of the Ruhr" - Leben während der KLV

Morgenappell in dem KLV-Jungenlager der Mittelschule Essen-Altstadt in Seefeld (Tirol), Quelle: KLV-Privatarchiv Gerhard E. Sollbach, Herdecke

Am 27. September 1940 wurde eine Anordnung von Adolf Hitler an die obersten Reichs- und Parteistellen weitergeleitet: Die Kinder aus den luftkriegsgefährdeten Gebieten Deutschlands sollten in weniger gefährdete Ortschaften evakuiert werden. Daraufhin wurden viele Kinder und Jugendliche in sichere Gebiete gebracht. Dies wird als "Kinderlandsverschickung" (KLV) bezeichnet. Ziel dieser Maßnahme war es zur Beruhigung der durch die Bombardierungen ausgebrochenen Panik in der Bevölkerung beizutragen und den Schutz der Kinder vor den Luftangriffen zu gewährleisten.

Die "Kinderlandverschickung" wurde nicht nur in Deutschland praktiziert. Ähnlich handelten zum Beispiel auch die Engländer während der Luftschlacht um die Britischen Inseln von 1940 bis 1941. Sowohl im Vergleich zu anderen Nationen als auch zu anderen Kriegssituationen wurden besonders viele Kinder und Jugendliche in Deutschland "verschickt".

Ab Januar 1941 begannen die Behörden im Ruhrgebiet diese Schutzmaßnahme durchzuführen. Die Entscheidung über die "Entsendung" der Kinder oblag den Eltern. Bis Ende des Kriegs gab es formal keinen Zwang für die Kinder, die Städte zu verlassen. Die besorgten Eltern lehnten häufig die Trennung von ihren Kindern ab. Durch Propaganda und Werbung versuchte man sie von der "Kinderlandverschickung" zu überzeugen. Die gefährlich werdende Lage in den Städten führte zu schärferen Methoden, wie der Einschüchterung der Eltern und der Verweigerung von Lebensmittelkarten. Außerdem mussten die Eltern bedenken, dass trotz der Kriegssituation die Schulpflicht weiterhin bestand und angesichts der immer schwereren Luftangriffe viele Schulen geschlossen wurden, so dass die Kinder im Ruhrgebiet wenig Möglichkeiten hatten, den Unterricht zu besuchen.

erstellt von Hanna Grzempa, 2008.

Anfänglich wurden nur vereinzelt Kinder zur "Verschickung" gemeldet. Nach der Luftschlacht im Ruhrgebiet (März 1943) nahm die Aktion einen größeren Umfang an. Es erfolgte die Verlegung von ganzen Schulen. Damit für die Kinder eine Möglichkeit bestand, ihre Eltern zu sehen, wurden fast alle Volksschulen von Essen nach Württemberg und Schwaben verlegt. Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen fuhren in vom Ruhrgebiet entferntere Gebiete: Tirol, Böhmen und Mähren. Die "Kinderlandverschickungslager" (KLV-Lager) befanden sich in verschiedenen, dafür geeigneten Gebäuden, wie zum Beispiel Jugendherbergen, Pensionen, Sanatorien oder Hotels.

Bis heute ist die genaue Zahl der evakuierten Kinder unbekannt. Laut Schätzungen verließen etwa 60.000 Kinder die Stadt Essen. Die Hälfte von ihnen wurde von den Eltern in privater Initiative evakuiert, sie verließen Essen nicht selten in Gesellschaft ihrer Mütter. Die anderen nahmen an dem durch die NSDAP zusammen mit der Hitler-Jugend, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und dem NS-Lehrerbund organisierten Transport in die weniger gefährdeten Gebiete teil.

 

Lebensmittelkarten: In Kriegssituationen muss Verpflegung oft rationiert werden, so dass sie nur nach Abgabe von Lebensmittelkarten vergeben werden.

Hitler-Jugend: Jugend-Organisation der NSDAP von 1933 bis 1945.

Nationalsozialistische Volkswohlfahrt: Organisation im nationalsozialistischen Deutschland, verantwortlich für Sozialarbeit. Zu ihren Aufgabenbereichen gehörte u. a. Kindergärten, Erholungsfürsorge, Jugendhilfe.

NS-Lehrerbund: Organisation im nationalsozialistischen Deutschland, in der Lehrer und Erzieher vereinigt waren.