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Infotext: Essen im Zeitalter der Industrialisierung - Bevölkerungs- und Sozialstruktur

Nach der Reichsgründung 1870/71 wurden im Ruhrgebiet und im gesamten Deutschen Reich Entwicklungen in Gang gesetzt, die massive Auswirkungen auf die Bevölkerungs- und Sozialstruktur hatten: Während das Ruhrgebiet zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch weitgehend durch die Landwirtschaft geprägt war, entstand Ende des 19. Jahrhundert eine der größten Industrieregionen Europas. Die Gründe für diese Entwicklung waren vielfältig:

Ein wichtiger Aspekt für die Entwicklung im Ruhrgebiet war der enorme Bevölkerungsanstieg. Dies lag darin begründet, dass sich in weiten Teilen Europas die Lebensbedingungen verbesserten, unter anderem durch Fortschritte in der Medizin. Dies hatte zur Folge, dass die Kindersterblichkeit sank und die Lebenserwartung stieg, – die Bevölkerung wuchs.

Ein weiterer Grund des Bevölkerungsanstiegs im Ruhrgebiet lag in den Migrationsbewegungen der Bevölkerung. Die steigende Bevölkerungszahl auf dem Land und die relativ geringen Arbeitsmöglichkeiten dort führten zu Migration in Industrieregionen, die entsprechend wuchsen. Parallel setzte auch eine Emigration nach Übersee, besonders in die USA, ein. Trotz der Emigration stieg die Bevölkerung im Deutschen Reich (von 24,5 Millionen im Jahr 1800 auf 56,4 Millionen im Jahr 1900), wie auch in ganz Europa (von 187 Millionen im Jahr 1800 auf 406 Millionen im Jahr 1900) an.

Essen 1829, Zeitgenössisches Aquarell Blick von Osten auf die Stadt (© Stadtbildstelle Essen).
Essen um 1865 von Osten (© Stadtbildstelle Essen).
Krupp Walz- und Schmiedewerk um 1900 (© Stadtbildstelle Essen).

Für das Ruhrgebiet ist außerdem die Binnenwanderung im Deutschen Reich von Ost nach West zu erwähnen. Eine große Zahl von polnischsprachigen Deutschen, so genannten Ruhrpolen, zogen aus den östlichen Provinzen des Reiches ins Ruhrgebiet. Hauptgrund für diese Migrationsbewegung war, wie auch bei der Landbevölkerung, dass sie in ihrer Heimat keine Arbeit fanden. Teilweise wurden diese „Ruhrpolen“ auch von den Bergwerken und Fabriken angeworben.

Die technischen Erneuerungen und die wirtschaftliche Expansion ermöglichte es einigen Familien und Firmen zu großem Reichtum zu kommen. Für das Deutsche Reich sind hier Unternehmer wie Siemens, Daimler oder Benz zu nennen. Für das Ruhrgebiet treten die Unternehmer der Eisen- und Stahlproduktion besonders hervor (unter anderem Krupp, Thyssen oder Hoesch). Vor allem die Familien- und Firmengeschichte Krupps ist mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt Essen eng verbunden. Schon 1811 wurde von Friedrich Krupp (1787-1826) mit zwei Teilhabern eine Gusstahlfabrik nach englischem Vorbild gegründet, ab 1816 war er Alleininhaber. Ab 1850 wurde das Unternehmen, nun geleitet von Alfred Krupp, zu einem der bedeutendsten Unternehmen der Stahlindustrie ausgebaut. Dank einiger technischer Patente und einer internationalen Repräsentation erschloss sich die Firma Krupp internationale Märkte und sorgte für den sozialen Aufstieg der Familie Krupp.

Geschaffen wurde dieser Gewinn aber von den Arbeitern in den Fabriken und Bergwerken des Ruhrgebiets. Ungelernte Arbeiter fanden hier zwar eine – im Vergleich mit anderen Regionen des Deutschen Reiches – relativ gut bezahlte Arbeit, aber die Arbeit war sehr anstrengend und teilweise gefährlich. Es gab kaum Arbeiterschutz und auch bei den Dienstzeiten waren die Arbeiter von den Arbeitgebern abhängig. Im Ruhrgebiet erkämpften sich die Arbeiter in mehreren Streiks eine Begrenzung der Arbeitszeit und die Regelung von Sicherheitsmaßnahmen.

Der Bevölkerungsanstieg, der Strukturwandel und die Migrationsbewegungen der Bevölkerung prägten die Sozial- und Bevölkerungsstruktur des Ruhrgebiets in der Zeit der Industrialisierung und führten zu einer bis dahin nicht gekannten strukturellen Veränderungen, der in den folgenden Quellen weiter behandelt werden soll.